Für Bodo Oehme, Bürgermeister von Schönwalde-Glien, ist der Mauerbau noch immer eine starke Zäsur in seinem Leben; eine historische Wunde, die sich in seinem Kopf kaum schließen lässt. Unermüdlich lädt er aus diesem Grund zu jährlich wiederkehrenden Gedenkveranstaltungen an der Steinernen Brücke ein – dort, wo früher Ost und West und damit auch Schönwalde-Glien und Spandau für viele Jahre geteilt waren.
Das Mahnen, das Erinnern, das Ankämpfen gegen das Vergessen: Das ist Bodo Oehme eine Herzensangelegenheit. Er bemängelt, dass die junge Generation in der Schule und auch in der Freizeit kaum noch konfrontiert wird mit der eigenen Geschichte, mit der Mauer, mit dem Unrecht des DDR-Staates und auch mit dem Glück, in diesem Jahr „30 Jahre Deutsche Einheit“ feiern zu dürfen: „Sind all die Toten der Mauer nur deswegen gestorben, dass wir sie vergessen und wir heute ein besseres Leben führen können?“
Dem Aufruf Bodo Oehmes, sich am Datum passend zum Beginn des Mauerbaus zwischen Ost- und West-Berlin (13. August 61) rückbesinnend an der Steinernen Brücke einzufinden, sind in diesem Jahr über 150 Personen gefolgt. Sie bekamen einmal mehr eine umfassende Rede vom Bürgermeister zu hören: „Wie Sie alle wissen, bin ich an dieser innerdeutschen Grenze in Schönwalde aufgewachsen. Für mich ist diese Steinerne Brücke in Schönwalde-Siedlung der Inbegriff der Teilung Deutschlands. Vor nur 31 Jahren hätte keiner von uns dieses Stück Erde lebend erreicht.“
Zu Gast bei der Veranstaltung, bei der erneut Kränze zur traditionellen Erinnerung an die Mauertoten und an die vor Ort Gefallenen niedergelegt wurden, war auch Helmut Kleebank, Bürgermeister von Spandau. Er fand ebenfalls sehr deutliche Worte: „Jeder ist geprägt von der Mauer – und das auf beiden Seiten. Viele haben in ihrem Leben ein Opfer gebracht für diese Mauer, ich nenne sie – Schandmal. Die DDR konnte nur mit konsequenter Lüge und Intrige den Status Quo aufrechterhalten. Das bedeutet: Allen in der Führungsetage war klar, dass es so etwas wie das eigene System gar nicht hätte geben dürfen. Deswegen musste das Unrecht lügend verschleiert werden. Leider sind auch heute wieder Menschen in verschiedenen Ländern an der Macht, die so agieren, dass man am Ende nicht weiß: Was ist Lüge, was ist Wahrheit? Umso wichtiger ist es, dass wir die Wahrheit benennen und dem Unfug wiedersprechen. Die Demokratie ist dabei eine Mitmachveranstaltung, sie ist eine Aufforderung an alle, sich einzubringen.“
Um die Geschichte zwischen Schönwalde-Glien und Spandau (und auch ihre besondere Verbundenheit) noch fassbarer darzustellen, wurde am 13. August 2020 eine neu errichtete Stele enthüllt. Sie ist zwei Tonnen schwer, enthält über 100 Kilo Stahl und ragt 2,50 Meter in den Himmel auf. Sie steht direkt am Straßenrand und am Radweg vor der Steinernen Brücke – und kann so von allen Passierenden optimal in Augenschein genommen werden. Für den künstlerischen Entwurf zeichnete die Schönwalderin Juliane Gansen verantwortlich, gebaut haben die Stele dann Lothar und Daniel Lüdtke aus Schönwalde-Dorf. Keramikerin Juliane Gansen: „Man erkennt in der Stele die Straße, die Schönwalde-Glien und Spandau verbindet – samt einem Schlagbaum, der die frühere Grenze verdeutlicht. Die Spandauer Seite wird mit einer blauen Kugel gekennzeichnet, die für Spandaus Wasser steht. Für Schönwalde-Glien kommt eine kleinere Kugel zum Einsatz. Ihr Grün steht für die Wälder.“
Vor vielen bekannten Gesichtern aus Politik und Wirtschaft wurde die Stele, die von der Gemeinde in Auftrag gegeben wurde, feierlich enthüllt. Bodo Oehme fand dazu die passenden Worte: „Soll die Stele nun das machen, was sie soll – neugierig machen.“
Vor Ort gibt es bereits ein Denkmal zum Mauerfall – und zwei Tafeln, die an die Mauertoten Dietmar Schwietzer und Ulrich Steinhauer erinnern. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 174 (9/2020).
Der Beitrag 30 Jahre Einheit: Neue Stele am ehemaligen Grenzstreifen in Schönwalde-Glien eingeweiht! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.